Tag 1242 – Der Fall ‚Wesley So‘

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Wesley So – Varuzhan Akobian 0-1 kampflos

Keine Sorge, das soll hier kein reiner Schachregel-Blog werden, aber das ein Top Ten Spieler aufgrund eines Regelverstoßes ‚genullt‘ wird, ist natürlich die (unrühmliche) ‚Meldung des Tages‘.

Hintergrund:
In der neunten Runde der US-Meisterschaften schreitet bei der Partie Wesley So – Varuzhan Akobian nach sechs Zügen Schiedsrichter Tony Rich ein und beendet die Partie zugunsten Akobian. So wird das Vergehen vorgeworfen, während der Partie auf einem ’neutralem‘ Zettel‘, ein paar ’selbstaufmunternde‘ Notizen verfasst zu haben – wie ‚Achte auf deine Uhr‘!

Hm, abgesehen davon, dass ich selber auf so eine Idee gar nicht kommen würde – doch, ja, wäre ich als Gegner wohl auch irritiert und würde dies monieren.

Nach wie vor bin ich jedoch kein Freund des ‚direkten Nullens‘, aber wenn, wie Rich berichtete, So während des Turniers bereits zweimal aufgrund einer solchen Aktion verwarnt wurde, geht die Disqualifikation voll in Ordnung. Das war aus So’s Sicht grob fahrlässig oder klarer ausgedrückt, einfach nur dumm!

Interessant ist nun, ob ‚Anschwärzer‘ Akobian von den Verwarnungen wusste und es somit gezielt auf eine Disqualifikation angelegt oder sich einfach nur durch das gegnerische Verhalten gestört gefühlt hat. Na ja, wenn Letzteres, dann hätte es ein kurzer ‚Small Talk‘: „Lass das bitte, sonst muss ich den Schiedsrichter einschalten!“ wohl auch getan, oder? Also – so ganz ’sportsmanlike‘ war das seitens Akobian auch nicht.

Aber das ist natürlich die immer wieder ‚aktuelle‘ Frage. ‚Streng gesetzlich‘ ist Akobian im Recht, aber moralisch? Da fällt mir doch spontan ein ‚jüngst‘ zurückgetretener Bundespräsident ein. Stopp, jetzt nur nicht ins Politische abdriften… 😉

Spannend fände ich nun noch die Frage und hier sind noch einmal die ‚Regelfreunde‘ gefragt, wann bereits ein ‚regelwidriges Notieren‘ vorliegt? Ist das schon gegeben, wenn ich z.B. einen eigenen Zug euphorisch mit einem Ausrufezeichen ‚garniere‘ oder pikanterweise einen gegnerischen Zug mit einem Fragezeichen tadele? Oder auch schon, wie oft schon gesehen, der Zeitverbrauch notiert wird? Und stimmt es tatsächlich, dass selbst die ‚Langnotation‘, also 1.e2-e4 statt 1.e4 nicht erlaubt ist?

Fragen über Fragen… 😉

2 Gedanken zu „Tag 1242 – Der Fall ‚Wesley So‘“

  1. Hallo Frank,

    dasnn will ich mal als erster:

    Art. 8 b:
    Das Partieformular dient ausschließlich der Aufzeichnung der Züge, der
    Zeitangaben auf den Uhren, der Remisangebote und der mit einem Antrag im
    Zusammenhang stehenden Umstände sowie anderer bedeutsamer Daten.

    Art 11.3 a:
    Während des Spielverlaufs ist es den Spielern verboten, irgendwelche Notizen,
    …… zu benutzen oder ……

    So weit so gut. Viele Partien, die ich als Zuschauer gesehen habe bewegen sich hier im grünen Bereich. Der ein oder andere Spieler notiert sich Zeiten, macht Ausrufezeichen o.ä. Notizen für eine spätere Analyse auf seiner! Notation. Ich sehe das als völlig ok an. Andere mögen an dieser Stelle anders urteilen. Allerdings bei der Benutzung eines neutralen Zettels sehe ich Handlungsbedarf. Und wenn wie Du, lieber Frank, beschreibst es schon 2 Verwarnungen im Vorfeld gab sehe ich die Nullung als korrekt an. Ich unterstelle mal, das der oder die Schiedsrichter das von selbst auf ihrem Schirm hatten ohne das der Gegner etwas sagen musste.
    Wer zweimal verwarnt wurde sollte es nicht noch ein drittes Mal versuchen, hierbei sollte jedem klar sein, das auch der letzte Schiedsrichter diesen Spieler im weiterem Turnierverlauf aufmerksam beobachtet.
    Im Übrigen lässt der Anhang C Algebraische Notation Dir lieber Frank die Möglichkeit offen die lange Notation zu wählen oder vielleicht doch die kurze! 🙂

    Grüße aus Drolshagen

    Andreas Schell

  2. Hallo Frank

    Den Ausführungen von Andreas schließe ich mich voll an. Auf die Gefahr hin, daß ich mich wiederhole, nur eine Ergänzung. 11.3.a beinhaltet keine Angaben zu konkreten Strafen. Das bedeutet, der Schiedsrichter kann nach seinem Ermessen gemäß Artikel 12.9 eine Strafe aussprechen. Das bedeutet, es gibt Regelvestöße die nicht automatisch einen Partieverlust zur Folge haben. Da aber der Spieler schon mehrfach auffällig geworden war, und die bisherigen Strafen ihn nicht davon abgehalten haben weiter gegen die Regeln zu verstoßen, mußte der Schiedsrichter durchgreifen und gemäß 11.7 handeln. Dabei ist es unerheblich was auf dem Zettel stand. Es hätte auch eine verschlüsselte Information sein können. Klingt vielleicht überzogen, ist aber angesichts einiger Handyfälle, nachvollziehbar. Immerhin haben es in jüngerer Vergangen-
    heit einige Spieler geschafft mit ausgeschalteten Handys Informationen zu senden bzw. zu empfangen.

    Gruß Guido

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