Fraglos kann der andauernden Corona-Pandemie kaum etwas Positives abgewonnen werden, höchstens, dass die Umwelt weniger verschmutzt wird oder sich die Welt insgesamt ein wenig langsamer dreht, was ihr vielleicht ja auch mal ganz guttut.
Bei uns ‚im kleinen‘ ergeben sich dadurch mit einem Male auch Gelegenheiten, sich lange aufgeschobener, oftmals ungeliebter Tätigkeiten zu widmen.
So galt es bei mir neulich jahrelang, ach was sag‘ ich, jahrzehntelang vernachlässigte Ecken im Keller aufzuräumen. Und in einer dieser Ecken entdeckte ich plötzlich einen alten Schuhkarton mit der Aufschrift ‚Schachkram‘, den ich neugierig öffnete. Dabei kam so mancher ‚kleinen Schatz‘ zum Vorschein – unter anderen eine Autogrammkarte von Anatoly Karpov, aber auch meine allererste Turnierpartie, fein säuberlich notiert in einem vergilbten Partieheft – „Jugendstadtmeisterschaft Gummersbach 1981“ – tja, die Aktion ‚Keller aufräumen‘ hatte sich schlagartig erledigt…
Ok, hiermit lade ich euch also ein zu einer spannenden Zeitreise ins Jahr 1981 – viel Spaß!
Das Jahr 1981…
Also wie war es damals so und was passierte zu jener Zeit…?
Politik
Der Ex-Schauspieler Ronald Reagan wird US-Präsident (ja, die Amis waren schon damals verrückt ;-)) und Prince Charles heiratet Lady Di.
In Deutschland regiert die SPD-FDP-Koalition mit Kanzler Helmut Schmidt und Außenminister Hans-Dietrich Genscher und ‚unser‘ Bundespräsident Karl Carstens wandert mal wieder… – die Mauer steht felsenfest und die Grünen sind 1 Jahr zuvor frisch gegründet worden.
Fußball
1980 wurden wir Fußball-Europameister unter Jupp Derwall mit einen 2:1 Sieg gegen Belgien durch zwei Tore vom Kopfball-Ungeheuer Horst Hrubesch – die Bundesligasaison 80/81 gewinnt Bayern (ja damals auch schon) und die Torjägerkanone geht an Karl-Heinz Rummenigge.
Musik
Und was ist ‚musikalisch‘ so los? Ja, die ‚Neue Deutsche Welle‘ rollt so langsam auf uns zu – ihr wisst schon „99 Luftballons“ und „Da da da“, aber die Jahrescharts gewinnt der „Ententanz“ – auweia…
Technik
Und wie lebten wir so Anfang der 80er? Nun ja, das wird bei einigen der jüngeren Leser jetzt für ein ungläubiges Kopfschütteln sorgen, denn unsere damalige ‚Medienwelt‘ war ‚voll analog‘!
Ja, es gab tatsächlich auch mal ein Leben ohne Internet – also kein Instagram, YouTube oder WhatsApp. Generell waren auch PCs und Handys noch Zukunftsmusik!
So in etwa sah zu jener Zeit die Kommunikation, sprich unser Telefon, aus – ok, wir hatten bereits eins in hippen grün.
Aber so ganz ohne Medien lebten wir dann doch nicht, allerdings gab’s in unserem guten alten Röhrenfernsehen nur drei (!!) Programme: ARD, ZDF und WDR – ja, und gegen 0:00 Uhr wurden wir dann mit einem Testbild inklusive nervenden Dauerpiepton gequält – Programmende eben!
LPs und Singles wurden auf einem Plattenspieler gehört – für unsere jüngeren Leser, das sah dann in etwa so aus.
Etwas moderner war da schon die Kassette, die ‚pro-aktiv‘ bespielt werden konnte. Wie oft saßen wir also mit zittrigen Fingern an der Aufnahmetaste des Kassettenrekorders, um bei unserer Lieblingssendung „Mal-Sondock-Hitparade“ nicht den Einsatz für einen neuen Hit zu verpassen und in der großen Hoffnung, dass der Moderator am Ende nicht ins Lied quatscht.
Besonders neidisch waren wir auf die Besitzer von Kassettenrekordern mit Double Tape Deck – heißt zwei Kassettenstationen. Damit konnte man nämlich so richtig coole Kassetten selber schneiden. Hach, das waren Zeiten…
Schach
Und wie sah es in der Schach-Szene aus?
Der große Garry Kasparov hat die Schach-Weltbühne noch nicht betreten und so ist Anatoly Karpov (noch) die eindeutige Nummer eins und Weltmeister, der seinen Titel 1981 zum zweiten Mal gegen Viktor Kortschnoi verteidigt.
Das erinnert mich auch an das Ende 1980 in Meran ausgetragene Finale des Kandidatenturniers, also sozusagen die Qualifikation für den Weltmeisterschaftskampf gegen Karpov, das ein tragischen Ende nahm.
Kortschnoi traf hier nämlich auf ‚unseren‘ Robert Hübner, der zu jener Zeit tatsächlich die Nummer 3 (!!) der Weltrangliste war – goldene Zeiten im deutschen Schach!
Wie groß war unsere Hoffnung, dass Hübner um die Weltmeisterschaft kämpfen würde und lange sah es ja auch gut aus – Hübner führte nach 6 Partien mit 3,5:2,5 (16 Partien waren angesetzt), als in Partie 7 das Drama seinen Lauf nahm. Zunächst auf Gewinn stehend, verlor Hübner den Faden und seine Stellung entglitt ihm ins Remis, als er zu allem Überfluss eine profane Springergabel übersah und gar noch verlor. Als auch noch Partie 8 an Kortschnoi ging, brach Hübner völlig entnervt den Wettkampf vorzeitig ab. Die Enttäuschung der deutschen Schachfans war natürlich riesengroß.
Dennoch – bis heute sollte es danach keinem deutschen Spieler mehr gelingen, dem Weltmeistertitel so nahe zu kommen… – für Interessierte, hier die Partien…
Ach ja, noch zu den damaligen Zeiten – wir Schachfans erfuhren das Ergebnis und die Notation der Partien immer erst am nächsten Tag – durch die Zeitung – immerhin…
Also nix mit kommentierten Online-Liveübertragungen oder brandaktuellen Schach-News. Ja, selbst die Entwicklung von Chessbase und Fritz sollte noch Jahre dauern – tja, und die ersten aufkommenden Schachcomputer wie ‚mein‘ Chess Champion Super System III von Novag waren noch ein ziemlicher Witz.
Das einzige, brauchbare Trainingsmaterial war also das gute, alte Buch und die Schach-Bibel schlechthin war ‚der Informator‘ – hä, was ist das? Die Informatoren waren dicke Wälzer, die aktuelle, kommentierte Großmeisterpartien enthielten, mit dem Schwerpunkt auf Eröffnungen und zweimal jährlich erschienen.
Ich muss gestehen, nie einen Informator besessen zu haben. Ja überhaupt war meine ‚Schachbibliothek 1981‘ mit den dreibändigen Taschenbüchern von Rudolf Teschner ‚Das moderne Schachlehrbuch‘ sehr überschaubar.
Puh, das war doch eine ziemlich lange Einleitung hin zu meiner ersten Turnierpartie, an die ich mich noch sehr gut erinnere.
An der „Jugendstadtmeisterschaft Gummersbach 1981“ nahmen knapp 30 Kinder und Jugendliche teil. Ja, richtig gelesen 30! Davon können wir heutzutage nur träumen – leider…
Ausgetragen wurde die Meisterschaft im Gummersbacher ‚Wiedenhof‘ eine an mehreren Tennisplätzen angrenzende Gaststätte, in einem großen Gesellschaftsraum.
Von Anfang an fand ich die Atmosphäre faszinierend – diese ‚vibrierende Stille‘ zusammen mit den im Einklang tickenden Schachuhren. Und so verlief also meine allererste Partie und – bitte gewährt mir Nachsicht – ich war 12 und ziemlich nervös…
Darunter in Kinderschrift steht: „Mit viel Glück gewonnen“ – wohl wahr – und im Nachhinein frage ich mich, wie sich mein Schachinteresse wohl entwickelt hätte, wenn diese erste Partie kein Erfolgserlebnis gewesen wäre, sondern mit einer deprimierenden Niederlage geendet hätte?
Hätte ich mich womöglich vom Schachspiel abgewendet? Wäre ich nie in den Genuss so vieler toller Partien und wunderschöner Kombinationen gekommen? Man weiß es nicht – und gut, dass es anders kam… 🙂
Ja, das waren noch Zeiten. Das Nachspielen und analysieren einer Partie dauerte ein paar Stunden und beim Zurückstellen der Figuren mußte man aufpassen, daß die Ausgangsposition richtig war. Mit den Computern heute geht das ja schon fast in Sekunden. Mein erster Schachcomputer war ein Sargon, der brauchte schon mal ein paar Tage für einen Zug, war dafür aber schon recht stark.
Vielleicht findest Du ja in Deinem Fundus auch eine Partie gegen meinen Papa. Das muß so etwa Mitte der 80´ger gewesen sein, im Mannschaftspokal.
Also auf der Jugendstadtmeisterschaft habe ich doch auch gespielt!
Unerwarteter dritter Platz, anschließend bei den Senioren fünfter Platz.
Das waren auch schon die besten Ergebnisse in der Schachkarriere.
Wenn ich nur wüsste, wo mein Partieheft ist…
Stimmt – Runde 3 – meine erste Niederlage… – gegen Dich! 😉