Tag 27 – Zug um Zug in den Wahnsinn

Als ich gestern Abend beiläufig in der Fernsehzeitschrift blätterte, stieß ich zufällig auf ARTE und den Film:

Die Legende Bobby Fischer
– Zug um Zug in den Wahnsinn

Super – der Abend war gerettet!
Und ich muss sagen, ich bin begeistert!

Mit geradezu beklemmender Intensität werden die verschiedenen Facetten (bedauerlicherweise waren es zu wenige…)  Bobby Fischers beleuchtet. Einerseits die so  faszinierende Leidenschaft, andererseits diese pathologische Besessenheit.

Nur zweimal zuckte ich kurz zusammen, als die Formulierungen ‚Bauer auf Dame 4‘ und ‚König auf Springer 2‘ für unfreiwillige Komik sorgten, aber das sei verziehen.

Schon ein bisschen mit Wehmut sieht man auf diese Zeiten zurück – was für eine Publicity!
Schach in den Hauptnachrichten als erste Schlagzeile noch vor Richard Nixons Abhörskandal und Live-Berichterstattungen im Fernsehen – das wird wohl einmalig bleiben.

Ok, vielleicht wird’s jetzt peinlich, wenn ich mich als Hobby-Psychologe versuche – aber wie war er denn nun, der große Bobby Fischer?

Ohne Vater aufgewachsen, von der Mutter vernachlässigt, findet er einzig und allein im Schachspiel Halt und Orientierung im unbändigen Willen, darin der Beste zu werden. Und obwohl er sich oft genug selber im Wege steht, schafft er es mit unerschütterlicher Willenskraft tatsächlich sein Ziel zu erreichen. Er, der Einzelgänger, der Autodidakt, kämpft das für unschlagbar gehaltene sowjetische Schachsystem nieder und wird Weltmeister!
Der Stoff, aus dem (‚vorzugsweise‘ amerikanische) Helden sind!

Nun hatte er alles erreicht, war aber seines Zieles – seiner einzigen Orientierung im Leben – beraubt.
Was folgte war ein menschliches Drama. Mit beinahe unabänderlicher Konsequenz kommt es zum Niedergang, zum Abgleiten ins Krankhafte. Als jüdischer Abkömmling wird er Antisemit, als Amerikaner hasst er sein Heimatland und heißt die Anschläge vom 11.September gut und – wendet sich vom Schach ab. All dies Ausdruck seiner inneren Zerrissenheit.

Vielleicht fand er letztlich auf Island noch ein bisschen Frieden, seine ‚inneren Dämonen‘ ist er wohl nicht mehr losgeworden. Und er stirbt mit 64 – ein geradezu symbolisches Alter.

Was bleibt ist die ewige Bewunderung eines der besten, wenn nicht des besten, Schachspielers der Welt und – das Mitleid mit einem kranken und einsamen Menschen…

Ein Gedanke zu „Tag 27 – Zug um Zug in den Wahnsinn“

  1. Da kann ich nur zustimmen… Die Popularität und Aufmerksamkeit wird wohl nicht mehr erreicht werden. Allein schon deshalb, weil der Wettkampf zwischen Fischer und Spasski zum Wettstreit zwischen zwei politischen Systemen stilisiert wurde.

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