Tag 202 – Der König bittet zum Tanz… – WM 2012 (XIII)


Weltmeisterschaft Anand – Gelfand
Endstand: 6:6 – Stichkampf 2,5:1,5

„Der König ist tot – es lebe der König…!“
Viswanathan Anand bleibt Weltmeister!

In einem dramatischen Stichkampf setzt sich der Titelverteidiger knapp mit 2,5:1,5 Punkten in vier Schnellschachpartien durch. Fast scheint es als wollten die beiden Kontrahenten all die Spannung nachholen, die sie im bisherigen Matchverlauf haben vermissen lassen.

Es beginnt mit einer ‚hochtaktischen‘ ersten Partie, die ehrlich gesagt meinen geistigen Horizont bei weitem übersteigt. Nach der ‚kompletten Abholzung‘ bleibt nur ein remisliches Turmendspiel – somit 0,5:0,5.

Die entscheidende zweite Partie beginnt mit einer ‚taktischen Meisterleistung‘ Anands. Wieder greift er zum ‚Rossolimo-Sizilianer‘ mit einem frühzeitigen Damentausch, wobei er  klar die Initiative übernimmt und Gelfand mit einem äußerst unangenehmen Entwicklungsrückstand verbleibt.  Die Lösung dieses Problems kostet Gelfand eine Menge Zeit und er entschließt sich letztlich zu einem Bauernopfer.

Die große Frage ist nun: Kann Anand sich konsolidieren und den Bauern zum Gewinn führen? Zunächst nein – erneut lässt der Weltmeister sein gewohnt sicheres Spiel vermissen und Gelfand kommt zu einem starken Konterspiel mit vollständiger Kompensation.

Tja, doch nun wird dem Herausforderer die knappe Zeit zum Verhängnis und er lässt Anand aus seinem Klammergriff entschlüpfen. Es kommt somit zum Endspiel Turm, Springer und Bauer gegen Turm und Läufer, das Gelfand lange ausgeglichen gestalten kann und ‚objektiv‘ wohl auch Remis ist.

Aber Anand ‚knetet und knetet‘ und – tatsächlich ergreift er die einzige sich bietende Gelegenheit beim Schopfe und wickelt gekonnt in ein gewonnenes Turmendspiel ab – Sieg nach 77 Zügen – 1,5:0,5.

Dritte Partie – und wer dachte, das war’s dann nun, wird erneut überrascht.
Gelfand bündelt noch einmal all seine Energie und bringt eine ‚dynamisch-aggressive‘ Stellung aufs Brett.

Sein ‚Power-Schach‘ trägt Früchte und er erhält die eine Chance (26.Sxe4!), die ihm eine glatte Gewinnstellung hätte einbringen können. Ja – ‚hätte, können‘ – Gelfand lässt sie ungenutzt ‚vorüberziehen‘, Anand konsolidiert sich und bringt das Remis sicher unter ‚Dach und Fach‘ – 2,0:1,0.

In der letzten Stichkampfpartie kommt es seitens Gelfand mit Schwarz zwar zu einem letzten ‚Aufbäumen‘, aber der Widerstand ist gebrochen.

Anand neutralisiert jederzeit das gegnerische Läuferpaar und sichert sich das benötigte letzte Remis – 2,5:1,5.

Und somit geht eine irgendwie ‚eigenartige‘ Weltmeisterschaft zu Ende.
Mit einem überwiegend ‚unsicher‘, ja beinahe ‚gehemmt‘ wirkenden Weltmeister Viswanathan Anand und einem hervorragend vorbereiteten und ‚am Limit‘ agierenden Herausforderer Boris Gelfand, der Anand ‚um ein Haar‘ den Titel entrissen hätte – ganz klar, die Chance war da…!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert