Tag 1901 – Katerstimmung

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Verbandsmannschaftsmeisterschaft – 7.Runde:
SV Bergneustadt/Derschlag – SV Velmede/Bestwig 2,5:5,5

Auweia, was war das denn??

Da hatte der unerwartete Auswärtssieg in Schwerte bei uns doch tatsächlich eine leichte Euphorie entfacht – und dann so was!

In exakt der gleichen Aufstellung kassieren wir gegen Velmede/Bestwig, nun auch nicht gerade der Leader der Verbandsliga, unsere höchste Saisonniederlage – das verstehe, wer will…

Ok, mal im Einzelnen, auch wenn es ganz schön schwerfällt…

+++ gegen 13:30 Uhr +++
Als ‚Schließer‘ muss ich heute ziemlich pünktlich sein… puh, beim Öffnen der Tür schlägt einem abgestandene, alkoholgeschwängerte Luft entgegen. Kein Wunder, fand am gestrigen Samstag im benachbarten Krawinkelsaal eine ziemlich feucht-fröhliche Karnevalsveranstaltung statt.

Laut war’s allemal – der Stakkato-Beat von Black Fööss und Höhnern drang dabei nur allzu gut vernehmbar bis in die oberen Räumlichkeiten zum Jugendspiel gegen Plettenberg vor. Ja, wenn et Trömmelche jeht…

Doch im Gegensatz zu den empfindsamen Gemütern mancher Erwachsener, trübte die missliche Akustik die Konzentration unseres Nachwuchses keineswegs. Im Gegenteil – ein klasse 5:1 Sieg, um wenigstens etwas Positives von diesem Wochenende zu berichten… 🙂

+++ 14:00 Uhr +++
Es geht los… – leider oder ein Glück (wer weiß das schon), tritt das nominelle Brett 2 von Velmede nicht an. Na super, da bereite ich mich nach langer Zeit mal wieder richtig gut vor und dann spiele ich gar nicht gegen meinen ‚alten Weggefährten‘ Andre Becker… grrrrr… 👿

+++ gegen 16:00 Uhr – Zwischenstand 0,5:0,5 +++
Brett 7: Dirk Hoppe (1829) – Ekkehart Kiparski (1853) remis
Gerade einmal 14 Züge dauert die Partie von Ekkehart, dabei beginnt sie durchaus anspruchsvoll. Das ‚alte Lied‘ vom d-Isolani für Figurenaktivität wird ‚gespielt‘ – aber leider etwas kurz…

+++ gegen 16:15 Uhr – Zwischenstand 1:1 +++
Brett 6: Guido Linnenborn (1878) – Andre Weber (1930) remis
Und auch Guido tritt alsbald als Kurzarbeiter von der Bühne ab – seine optischen leichten Vorteile verflüchtigen sich schnell und ein Remis ist folgerichtig.

+++ gegen 16:30 Uhr – Zwischenstand 1,5:1,5 +++
Brett 3: Ajandhan Thanabalasingam (1971) – Frank Chlechowitz (2136) remis
Eine weitere blutleere Vorstellung meinerseits. Die Partie beginnt flach, verläuft flach und endet flach… – so langsam macht sich Schwermut breit…

+++ gegen 17:30 Uhr – Zwischenstand 2:2 +++
Brett 1: Bernhard Rittmeier (2225) – Christof Köllner (2103) remis
Dass ein Remis auch mit großem Kampfgeist erspielt werden kann, beweist Christof. Ein schwieriges Endspiel rettet er mit verblüffender Leichtigkeit…

+++ gegen 17:40 Uhr – Zwischenstand 2,5:2,5 +++
Brett 4: Friedhelm Michalik (2008) – Armin Bartel (1942) remis
Für Remis Nummer 5 sorgt Friedhelm.
Nach einem kleinen taktischen Zwischenspiel, gewinnt Friedhelm zwar einen Bauern, aber einen ziemlich Schwächlichen.

Das anschließende Bemühen sich so langsam zu befreien, geht leider ‚nach hinten los‘ und ihm droht Ungemach, doch rettet er seine Partie spektakulär…

Soweit noch alles halbwegs im ‚grünen Bereich‘, doch dann nimmt das Unheil seinen Lauf…

+++ gegen 17:50 Uhr – Zwischenstand 2,5:3,5 +++
Brett 2: Paul Stümer (2011) – Andre Becker (2127) 0:1
Lange Zeit liefert sich Paul ein strategisches Duell auf Augenhöhe, ohne dass sich eine Partei wesentlich ‚in Szene‘ setzen könnte.

Zwar drückt Paul ein wenig die Zeit, aber auch das scheint er ganz gut im Griff zu haben. Was ich dann live erlebe, ist kaum zu glauben. Paul braucht noch zwei Züge bis zur Zeitkontrolle bei einer Minute – das sollte doch zu schaffen sein, oder!?

Zugegeben, die Stellung wirkt ein wenig unbehaglich, aber der vermeintlich bedrohliche Springerausfall seitens Becker, kann leicht pariert werden. Doch Paul grübelt und grübelt – warum zieht er nicht? Noch 30 Sekunden – mittelstarkes Räuspern meinerseits, noch 20 Sekunden – lautes Hüsteln, noch 10 Sekunden und aus – ich fass es nicht, Paul verliert auf Zeit.

Die unverzügliche Analyse ergibt, dass Paul ‚Zeitnotgespenster‘ gesehen hat, da er die Stellung für vollkommen verloren hielt, was aber überhaupt nicht der Fall ist – selbst die ‚Engine-Tiefenanalyse‘ ergibt – in etwa ausgeglichen!!

Was für ein Albtraum… – aber es kommt noch schlimmer…

+++ gegen 18:15 Uhr – Zwischenstand 2,5:4,5 +++
Brett 8: Aaron Köllner (1761) – Gerhard Schubert (1937) 0:1
Dann der zweite Schock – Aaron wird leider zum ‚tragischen Helden des Tages‘!

Da beherrscht er seinen Gegner Gerhard Schubert klar – ja, er nimmt ihn regelrecht auseinander, mit dem Lohn eines verbundenen Freibauerntrios am Damenflügel. Es scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein, bis diese fürchterliche Bauernmasse ins Rollen kommt und den Sieg bringt.

Aber leider, leider lässt sich Aaron in gegnerischer Zeitnot zu einem unbedachten Läuferzug hinreißen. Schubert kommt zu einem Doppelangriff, der ihm nachfolgend zumindest ein Remis garantiert. Doch damit nicht genug – Aaron unterläuft ein fataler Bauernzug und er gerät sogar in ein Mattnetz, aus dem es kein Entrinnen mehr gibt. Schach kann so grausam sein!

Aber natürlich lassen wir Milde walten – Aaron ist jung und besitzt großes Potential. Einen Tick mehr Erfahrung und Cleverness und dann ‚haut‘ er alle um – ganz bestimmt!

+++ gegen 18:30 Uhr – Endstand 2,5:5,5 +++
Brett 5: Bert Hollmann (1961) – Volker Hagedorn (1991) 1:0
Trauerspiel – Teil 3 dann bei Volker.
Eine schwerblütige, ziemlich komplizierte Partie kostet ihn unglücklicherweise sehr viel Zeit – und so passiert das beinahe Unvermeidliche. In hochgradiger Zeitnot häufen sich die ungenauen Züge, die ihm letztlich einen Bauern kosten. Das anschließende Endspiel ist relativ hoffnungslos und Volker gibt alsbald auf. Tja, manchmal kommt einfach alles zusammen…

Dennoch möchte ich zu seiner Partie an dieser Stelle mal wieder die Schiedsrichter und Regelexperten zu Rate ziehen. Worüber ich mir noch nie so richtig Gedanken gemacht habe – wann genau tritt eigentlich die Regel ‚berührt-geführt‘ in Kraft?

Ich formuliere die Fälle mal ‚neutral‘…

Fall 1:
Beim ‚Versuch‘ am Damenflügel einen Zug auszuführen, berührt der Weißspieler mit dem Handrücken seinen eigenen König und stößt diesen um – es folgt ein kurz gemurmeltes ‚Tschuldigung‘, er stellt den König wieder auf und führt den Zug am Damenflügel aus. Der Schwarzspieler beharrt auf ‚berührt-geführt‘, doch ein ‚Schlaumeier‘ aus der zweiten Kiebitz-Reihe meinte: Die Hand müsse schon ‚aktiv‘ zur Figur gehen, damit diese Regel in Kraft tritt… – und die Partie wurde fortgesetzt. Stimmt das?

Fall 2:
In beidseitiger, hochgradiger Zeitnot möchte der Weißspieler höchstwahrscheinlich einen Damenzug ausführen, berührt dabei aber mit seiner stark zitternden Hand zuerst den Turm des Schwarzspielers, der dadurch fast auf ein anderes Feld geschoben wird. Wieder protestiert der Schwarzspieler kurz, da die Dame den Turm hätte schlagen können (wenn auch unter äußerst ungünstigen Umständen), doch in der Zeitnothektik wird auch hier die Partie fortgesetzt. Wäre der Protest gerechtfertigt gewesen?

Bin mal gespannt…

Soweit unser heutiger ‚Grusel-Spieltag‘ und so fällt das Fazit einfach aus – im nächsten Spiel gegen Kierspe muss mindestens ein Punkt her, dann können wir ‚die Saison zum Vergessen‘ (beunruhigt) abhaken…

So far…

10 Gedanken zu „Tag 1901 – Katerstimmung“

  1. Moin! 😉

    Mein Kommentar zu dem Zeitnotduell:

    Fall 1: Natürlich gilt meiner Meinung nach „berührt geführt“ schon bei der geringsten Berührung der Figur…egal ob gewollt oder nicht…egal ob Zeitnot oder nicht…

    Fall 2: Auch hier muss ich leider gegen den Weißspieler sein…wenn man was berührt und es theoretisch möglich ist diese Figur zu schlagen..leider Pech gehabt…so hart das auch klingen mag…

    Regel ist halt Regel…wie schade, dass da kein Schiedsrichter bei zuschaut…dann gäbe es vermutlich zumindest weniger „Schlaumeierkommentare“…hoffe ich zähle da jetzt nicht zu.. 😉

    1. Hallo zusammen!
      Der nächste Schlaumeier meldet sich zu Wort 😉
      In Fall 1 würde ich Maik widersprechen. „Berührt-Geführt“ ist ein schöner Merksatz, trifft aber nicht den Kern der FIDE-Regel 4.3: „Berührt der Spieler, der am Zug ist, […] auf dem Schachbrett mit der Absicht diese zu ziehen oder zu schlagen….“ Man beachte den Einschub „mit Absicht“. Das versehentliche Umwerfen einer Figur mit dem Handrücken ist sicher keine Absicht.
      Fall 2 ist da schon etwas komplizierter. „Greift“ Weiß nach dem gegnerischen Turm und bemerkt seinen Irrtum erst, als er ihn mit zwei bis drei Fingern umschlossen hat oder „streift“ er ihn nur, während er die Hand daran vorbei bewegt? Im ersten Beispiel würde ich auch davon ausgehen, dass er geschlagen werden muss, im zweiten Beispiel nicht.
      Da ich aber nicht im Besitz einer Schiri-Lizenz bin, ist meine Meinung ohne Gewähr.

  2. Mike -> leider Unrecht 😉
    Michael -> Volltreffer, so sehe ich das auch 😉

    Ich bin mal gespannt was nächste Saison auf uns zukommt mit der neuen Bedenkz

  3. Ob Regel oder nicht – allein schon aus „moralischer“ Sicht sollte man die Figur ziehen, wenn man sie berührt hat – Absicht oder nicht – …denn dieses unabsichtliche Berühren der Figur kann auch den Gegner verwirren…und das ist finde ich viel schlimmer…daher besser nie in Zeitnot kommen lassen oder wirklich auf jene Hände setzen…doch bei Zeitnot ist das wohl nicht so empfehlenswert… 😉

    Die neue Bedenkzeit aber nächsten Saison wird dies sicher nicht vereinfachen…aber das ist nur meine Meinung und ich habe ja bereits daraus Konsequenzen für mich geschlossen…

    1. Zu Frage 1: Also die weiße Dame stand auf f6 und der schwarze Turm auf g7.
      Zu Frage 2: Das lässt sich natürlich nicht genau beziffern. Ich hab’s so gesehen, dass der Weißspieler seine Hand in Richtung seiner Dame bewegte, ‚über ihr‘ verharrte und die Finger dabei aber so sehr zitterten, dass sie den Turm auf g7 um ein ‚halbes‘ Feld verschoben, ohne zuvor die Dame berührt zu haben.

      1. Unter diesen Umständen halte ich eine Reklamation des Gegners für nicht ganz aussichtslos. Ich finde es schon falsch, wenn ein Spieler den Arm über das Brett ausstreckt, ohne sofort nach einem Stein zu greifen. Das wird zwar nicht explizit in den Regeln erwähnt, gehört sich aber trotzdem nicht. Wenn ich so etwas bei einem Spieler öfter sehe, dann bitte ich ihn das abzustellen. Es geschieht ihm recht, wenn der Gegner auf „berührt – geführt“ besteht, auch wenn keine Absicht vorgelegen hat, den Turm zu ziehen. Die Nichtabsicht muss an der Geste erkennbar sein und nicht erst hinterher verbal erklärt werden.

  4. Kommentar von Guido Korb wegen technischer Probleme nachgereicht:

    Michael M. hat einen wichtigen Schritt zur Klärung der Situation
    gemacht. Er hat die Regeln herangezogen (Artikel 4.3 FIDE Regeln). Dabei
    hat er auch den entscheidenden Hinweis gegeben. Es ist bei der „berührt
    – geführt“ Regel die „Absicht“ entscheidend. Es muß schon erkennbar
    sein, daß ein Spieler eine Figur mit der Absicht sie ziehen zu wollen,
    berührt.
    Aufgrund der vorliegenden Beschreibungen ist das aber in beiden
    Situationen nicht der Fall.
    Wenn eine Situation unklar ist (evtl. Fall 2) , dann sind zur Klärung des
    Sachverhaltes die Schiedsrichter, hier die Mannschaftsführer, von den
    betroffenen Spielern hinzu zu ziehen. Die Spieler können dazu die Uhren
    anhalten. Da hat niemand sonst aus der zweiten Reihe ungefragt einen
    Kommentar abzugeben.

    Gruß Guido

    PS.: Es ist natürlich nicht einfach solche Fragen zu beantworten, wenn
    man nicht selbst anwesend war.
    Am besten ist es für die Beantwortung, den Sachverhalt möglichst neutral
    und sachlich darzustellen und so detailliert wie möglich.

  5. Kommentar von Andreas Schell wegen technischer Probleme nachgereicht:

    Guten Morgen,

    bei aller Euphorie für Details und Emotionen sollte man folgendes nicht vergessen:
    Schachspiel ist ein Spiel zwischen 2 Gegnern und diese spielen ihr Spiel!

    Die Berührt-geführt Regel spricht im Grundsatz von „mit der Absicht zu ziehen oder schlagen…“
    Beschwerderecht hat nur der Spieler und der Schiedsrichter (MaFü) , der eingreifen muss, wenn er so etwas beobachtet. Zuschauer (übrigens gelten Spieler die ihre Partie beendet haben ebenfalls als Zuschauer) haben hierzu nichts zu sagen, sie dürfen einzig dem Schiedsrichter davon unterrichten das sie eine solche Beobachtung gemacht haben (bitte nicht lauthals durch den Spielbereich rufen, sondern leise, ohne das die beiden Spieler dieses mitbekommen!-Gefahr des Hineinreden in eine Partie-).

    Die beiden Situationen sollten direkt vor Ort geklärt werden und zwar mit den beiden Spielern und dem Schiedsrichter (MaFü). Jetzt ohne live dabei gewesen zu sein ist so was immer schwierig!

    Man sollte nicht vergessen, das es um Schach geht und um Schachspielern. Hat der Spieler absichtlich die Figur berührt? War er einfach nur nervös? Kaum einer von uns spielt mit dem Handrücken oder der Fingeraussenseite.

    Mit schachsportlichem Gruß
    Andreas Schell
    Nationaler Schiedsrichter

  6. Kommentar von Dawid Pieper wegen technischer Probleme nachgereicht:

    Ich hätte mich auch der Meinung beider Schiedsrichter angeschlossen. Die Absicht muss klar erkennbar sein. Alles andere würde ich für einen Scherz halten. Es kann einfach mal passieren, dass man eine Figur ohne Absicht umschmeißt (in schlimmen Fällen sogar auch zwei – auf ne Zeitlupe, welche zuerst umgefallen ist, würde ich dann aber auch verzichten! :-)) , sei es vielleicht durch Aufregung oder weil man seinen alten Pulli aus dem Schrank gezogen hat, wo die Ärmel mittlerweile etwas durchhängen :-). Würde mir auch blöd dabei vorkommen durch ein unbeabsichtigtes Bewegen einer Figur, das nicht intendiert war, eine Partie zu gewinnen oder auch nur daraus einen Vorteil zu ziehen. Aber es gibt natürlich Grauzonen, die zwischen absichtlich und nicht absichtlich liegen, was die Entscheidung im Einzelfall erschweren mag.

    In diesem Sinne, lasst uns auf möglichst wenige solcher Vorfälle hoffen, die zu Streitigkeiten führen!

    Grüße
    Dawid

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